Referenten:
Orhan Esen / Istanbul
Stephan Lanz / Berlin
Mittwoch 02.02.2005, 18.00 Uhr
Veranstalter: Lehrstuhl für Städtebau und Regionalplanung, Prof. Sophie Wolfrum, TUM
Kulturreferat der Landeshauptstadt München
Architekturgalerie München
Die Vorträge der beiden Referenten basieren auf dem, Anfang 2005 von ihnen herausgegeben Buches "Self Service City: Istanbul". Das Buch entstand im Rahmen von „ErsatzStadt“. ErsatzStadt ist ein Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes in Kooperation mit der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin.
"Self Service City: Istanbul" thematisiert aus unterschiedlichen Blickwinkeln die faktische Neugründung der 2700 Jahre alten ›Megapolis‹: Seit 1950 ist Istanbul von einer Million Einwohner durch Zuwanderung auf über zehn Millionen angewachsen. Auf besetztem Land errichteten die ländlichen Arbeitsmigranten zunächst in Selbsthilfe ihre Gecekondus. Innerhalb eines halben Jahrhunderts entwickelten sich diese informellen »Ersatzstädte« städtebaulich, kulturell und politisch zu einer der bedeutendsten Komponenten der »selbstgemachten« Metropole. Eine Entwicklung, die von bürgerlichen Urbanitätsdiskursen oftmals nur als zerstörerische Invasion des bestehenden Istanbuls wahrgenommen wurde.
In den Neunzigerjahren hat sich die Zuwanderung in die Bosporus-Metropole internationalisiert. Heute ist Istanbul wieder jene kosmopolitische Weltstadt, die sie die längste Zeit ihrer Geschichte gewesen war. Ein zweiter Fokus von "Self Service City: Istanbul" liegt daher auf dem städtischen Handeln von Flüchtlingen und Migranten aus Osteuropa sowie zunehmend aus Asien und Afrika. Historische Stadtteile verwandeln sich dabei in Praxislaboratorien eines transkulturellen Zusammenlebens. Es handelt sich gerade um die Orte, die in offiziellen Urbanitätsdiskursen aus Trauer über eine vorgeblich verlorene bürgerliche Kosmopolizität nostalgisch verschleiert werden, womit der Blick auf selbst organisierte Produktionsweisen von Stadt erneut verstellt wird. Verlag: b_books, Berlin 2005; ISBN 3-933557-52-6
Orhan Esen
Studium der Sozial und Wirtschaftsgeschichte sowie Kunst- und Architekturgeschichte.
Orhan Esen lebt als Journalist, Reiseleiter, Stadtforscher und Autor in Istanbul. Sein Engagement konzentriert sich auf die Schwerpunkte öffentlicher Raum, Wohnen und Wohnumfeld, Urbanökologie, Denkmal und Katastrophenschutz. Er hat zahlreiche Artikel zu Themen politischer Urbanistik in nationalen und internationalen Periodika verfasst.
Stephan Lanz
Lebt als Stadtforscher, Stadtplaner, Autor und Kurator in Berlin. Lehre und Forschung am Institut für Kulturwissenschaften der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder (seit 2001). Davor Quartiersmanager im Modellprojekt ›Soziale Stadt‹ in Hannover-Vahrenheide. Er beschäftigt sich im Schwerpunkt mit Theorien zur Stadtentwicklung im Kontext globaler Restrukturierungsprozesse und mit Fragen sozialer Stadtentwicklung.Stephan Lanz ist seit 2002 Kurator des Projekts ›ErsatzStadt‹ an der Volksbühne Berlin und in diesem Zusammenhang Herausgeber der Buchreihe ›metroZones‹: >Space//Troubles. Jenseits des Guten Regierens: Schattenglobalisierung, Gewaltkonflikte und städtisches Leben< (mit Jochen Becker, Berlin 2003), >City of COOP: Ersatzökonomien und städtische Bewegungen in Rio de Janeiro und Buenos Aires< (2004) und >Self Service City: Istanbul< (mit Orhan Esen, 2005).
Schrieb u.a. die Bücher >Metropolen< (mit Jochen Becker, Hamburg 2001) und >Die Stadt als Beute< (mit Klaus Ronneberger und Walther Jahn, Bonn 1999) und war u.a. beteiligt an den Kulturprojekten ›learning from *‹ (ngbk Berlin und wuk Wien 2003), ›AnbauNeueMitte‹ (›Falsches-Leben-Show‹ im Prater der Volksbühne Berlin, 2001/02) und ›Baustop.randstadt,-‹ (ngbk 1998).